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Erster Aufzug

Armbrustschießen
Soldaten und Bürger mit Armbrüsten

Jetter, Bürger von Brüssel, Schneider, tritt vor und spannt die Armbrust. Soest,Bürger von Brüssel, Krämer.

Soest. Nun schießt nur hin, daß es alle wird! Ihr nehmt mir's doch nicht! DreiRinge schwarz, die habt Ihr Eure Tage nicht geschossen. Und so wär' ich für dies JahrMeister.

Jetter. Meister und König dazu. Wer mißgönnt's Euch? Ihr sollt dafürauch die Zeche doppelt bezahlen; Ihr sollt Eure Geschicklichkeit bezahlen, wie's 'recht ist.

(Buyck, ein Holländer, Soldat unter Egmont.)

Buyck. Jetter, den Schuß handl' ich Euch ab, teile den Gewinst, traktiere die Herren:ich bin so schon lange hier und für viele Höflichkeit Schuldner. Fehl ich, so ist's, alswenn Ihr geschossen hättet. -

Soest. Ich sollte dreinreden: denn eigentlich verlier ich dabei. Doch, Buyck, nur immerhin.

Buyck (schießt). Nun, Pritschmeister, Reverenz! - Eins! Zwei! Drei! Vier!

Soest. Vier Ringe? Es sei!

Alle. Vivat, Herr König, hoch! und abermal hoch!

Buyck. Danke, ihr Herren. Wäre Meister zu viel! Danke für die Ehre.

Jetter. Die habt Ihr Euch selbst zu danken.

(Ruysum, ein Friesländer, Invalide und taub.)

Ruysum. Daß ich euch sage!

Soest. Wie ist's, Alter?

Ruysum. Daß ich euch sage! - Er schießt wie sein Herr, er schießt wieEgmont.

Buyck. Gegen ihn bin ich nur ein armer Schlucker. Mit der Büchse trifft er erst, wiekeiner in der Welt. Nicht etwa, wenn er Glück oder gute Laune hat; nein! wie er anlegt, immerrein schwarz geschossen. Gelernt habe ich von ihm. Das wäre auch ein Kerl, der bei ihm dienteund nichts von ihm lernte. - Nicht zu vergessen, meine Herren! Ein König nährt seineLeute; und so, auf des Königs Rechnung, Wein her!

Jetter. Es ist unter uns ausgemacht, daß jeder -

Buyck. Ich bin fremd und König, und achte eure Gesetze und Herkommen nicht.

Jetter. Du bist ja ärger als der Spanier; der hat sie uns doch bisher lassenmüssen.

Ruysum. Was?

Soest (laut). Er will uns gastieren; er will nicht haben, daß wir zusammenlegenund der König nur das Doppelte zahlt.

Ruysum. Laßt ihn! doch ohne Präjudiz! Das ist auch seines Herrn Art, splendid zusein und es laufen zu lassen, wo es gedeiht.

(Sie bringen Wein.)

Alle. Ihro Majestät Wohl! Hoch!

Jetter (zu Buyck). Versteht sich: Eure Majestät.

Buyck. Danke von Herzen, wenn's doch so sein soll.

Soest. Wohl! Denn unserer spanischen Majestät Gesundheit trinkt nicht leicht einNiederländer von Herzen.

Ruysum. Wer?

Soest (laut). Philipps des Zweiten, Königs in Spanien.

Ruysum. Unser allergnädigster König und Herr! Gott geb' ihm langes Leben.

Soest. Hattet Ihr seinen Herrn Vater, Karl den Fünften, nicht lieber?

Ruysum. Gott tröst' ihn! Das war ein Herr! Er hatte die Hand über den ganzenErdboden und war euch alles in allem; und wenn er euch begegnete, so grüßt' er euch wieein Nachbar den andern; und wenn ihr erschrocken wart, wußt' er mit so guter Manier - ja,versteht mich - Er ging aus, ritt aus, wie's ihm einkam, gar mit wenig Leuten. Haben wir doch allegeweint, wie er seinem Sohn das Regiment hier abtrat - sagt' ich, versteht mich - der ist schonanders, der ist majestätischer.

Jetter. Er ließ sich nicht sehen, da er hier war, als in Prunk und königlichemStaate. Er spricht wenig, sagen die Leute.

Soest. Es ist kein Herr für uns Niederländer. Unsre Fürsten müssen frohund frei sein wie wir, leben und leben lassen. Wir wollen nicht verachtet noch gedruckt sein, sogutherzige Narren wir auch sind.

Jetter. Der König, denk ich, wäre wohl ein gnädiger Herr, wenn er nur bessereRatgeber hätte.

Soest. Nein, nein! Er hat kein Gemüt gegen uns Niederländer, sein Herz ist demVolke nicht geneigt, er liebt uns nicht; wie können wir ihn wiederlieben? Warum ist alle Weltdem Grafen Egmont so hold? Warum trügen wir ihn alle auf den Händen? Weil man ihmansieht, daß er uns wohlwill; weil ihm die Fröhlichkeit, das freie Leben, die guteMeinung aus den Augen sieht; weil er nichts besitzt, das er dem Dürftigen nicht mitteilte,auch dem, der's nicht bedarf. Laßt den Grafen Egmont leben! Buyck, an Euch ist's, die ersteGesundheit zu bringen! Bringt Eures Herrn Gesundheit aus.

Buyck. Von ganzer Seele denn: Graf Egmont hoch!

Ruysum. Überwinder bei St. Quintin.

Buyck. Dem Helden von Gravelingen!

Alle. Hoch!

Ruysum. St. Quintin war meine letzte Schlacht. ich konnte kaum mehr fort, kaum die schwereBüchse mehr schleppen. Hab ich doch den Franzosen noch eins auf den Pelz gebrennt, und dakriegt' ich zum Abschied noch einen Streifschuß ans rechte Bein.

Buyck. Gravelingen! Freunde! da ging's frisch! Den Sieg haben wir allein. Brannten undsengten die welschen Hunde nicht durch ganz Flandern? Aber ich mein, wir trafen sie! Ihre alten,handfesten Kerle hielten lange wider, und wir drängten und schossen und hieben, daß siedie Mäuler verzerrten und ihre Linien zuckten. Da ward Egmont das Pferd unter dem Leibeniedergeschossen, und wir stritten lange hinüber herüber, Mann für Mann, Pferd gegenPferd, Haufe mit Haufe, auf dem breiten flachen Sand an der See hin. Auf einmal kam's, wie vomHimmel herunter, von der Mündung des Flusses, bav, bau! immer mit Kanonen in die Franzosendrein. Es waren Engländer, die unter dem Admiral Malin von ungefähr von Dünkirchenher vorbeifuhren. Zwar viel halfen sie uns nicht; sie konnten nur mit den kleinsten Schiffenherbei, und das nicht nah genug; schossen auch wohl unter uns - Es tat doch gut! Es brach dieWelschen und hob unsern Mut. Da ging's! Rick! rack! herüber, hinüber! Allestotgeschlagen, alles ins Wasser gesprengt. Und die Kerle ersoffen, wie sie das Wasser schmeckten;und was wir Holländer waren, gerad hintendrein. Uns, die wir beidlebig sind, ward erst wohl imWasser wie den Fröschen; und immer die Feinde im Fluß zusammengehauen, weggeschossen wiedie Enten. Was nun noch durchbrach, schlugen euch auf der Flucht die Bauerweiber mit Hacken undMistgabeln tot. Mußte doch die welsche Majestät gleich das Pfötchen reichen undFriede machen. Und den Frieden seid ihr uns schuldig, dem großen Egmont schuldig.

Alle. Hoch! dem großen Egmont hoch! und abermal hoch! und abermal hoch!

Jetter. Hätte man uns den statt der Margrete von Parma zum Regenten gesetzt!

Soest. Nicht so! Wahr bleibt wahr! Ich lasse mir Margareten nicht schelten. Nun ist's anmir. Es lebe unsre gnäd'ge Frau!

Alle. Sie lebe!

Soest. Wahrlich, treffliche Weiber sind in dem Hause. Die Regentin lebe!

Jetter. Klug ist sie, und mäßig in allem, was sie tut; hielte sie's nur nicht sosteif und fest mit den Pfaffen. Sie ist doch auch mit, schuld, daß wir die vierzehn neuenBischofsmützen im Lande haben. Wozu die nur sollen? Nicht wahr, daß man Fremde in dieguten Stellen einschieben kann, wo sonst Äbte aus den Kapiteln gewählt wurden? Und wirsollen glauben, es sei um der Religion willen. Ja, es hat sich. An drei Bischöfen hatten wirgenug: da ging's ehrlich und ordentlich zu. Nun muß doch auch jeder tun, als ob er nötigwäre; und da setzt's allen Augenblick Verdruß und Händel. Und je mehr ihr das Dingrüttelt und schüttelt, desto trüber wird's.

(Sie trinken.)

Soest. Das war nun des Königs Wille; sie kann nichts davon- noch dazutun.

Jetter. Da sollen wir nun die neuen Psalmen nicht singen. Sie sind wahrlich gar schönin Reimen gesetzt und haben recht erbauliche Weisen. Die sollen wir nicht singen, aberSchelmenlieder, so viel wir wollen. Und warum? Es seien Ketzereien drin, sagen sie, und Sachen,Gott weiß. Ich hab ihrer doch auch gesungen; es ist jetzt was Neues, ich hab nichts dringesehen.

Buyck. Ich wollte sie fragen! In unsrer Provinz singen wir, was wir wollen. Das macht,daß Graf Egmont unser Statthalter ist; der fragt nach so etwas nicht. - In Gent, Ypern, durchganz Flandern singt sie, wer Belieben hat. (Laut.) Es ist ja wohl nichts unschuldiger alsein geistlich Lied? Nicht wahr, Vater?

Ruysum. Ei wohl! Es ist ja ein Gottesdienst, eine Erbauung.

Jetter. Sie sagen aber, es sei nicht auf die rechte Art, nicht auf ihre Art; undgefährlich ist's doch immer, da läßt man's lieber sein. Die Inquisitionsdienerschleichen herum und passen auf; mancher ehrliche Mann ist schon unglücklich geworden. DerGewissenszwang fehlte noch! Da ich nicht tun darf, was ich möchte, können sie mich dochdenken und singen lassen, was ich will.

Soest. Die Inquisition kommt nicht auf. Wir sind nicht gemacht, wie die Spanier, unserGewissen tyrannisieren zu lassen. Und der Adel muß auch beizeiten suchen, ihr die Flügelzu beschneiden.

Jetter. Es ist sehr fatal. Wenn's den lieben Leuten einfällt, in mein Haus zustürmen, und ich sitz an meiner Arbeit und summe just einen französischen Psalm und denkenichts dabei, weder Gutes noch Böses; ich summe ihn aber, weil er mir in der Kehle ist: gleichbin ich ein Ketzer und werde eingesteckt. Oder ich gehe über Land und bleibe bei einem HaufenVolks stehen, das einem neuen Prediger zuhört, einem von denen, die aus Deutschland gekommensind: auf der Stelle heiß ich ein Rebell und komme in Gefahr, meinen Kopf zu verlieren. Habtihr je einen predigen hören?

Soest. Wackre Leute. Neulich hört' ich einen auf dem Felde vor tausend und tausendMenschen sprechen. Das war ein ander Geköch, als wenn unsre auf der Kanzel herumtrommeln unddie Leute mit lateinischen Brocken erwürgen. Der sprach von der Leber weg; sagte, wie sie unsbisher hätten bei der Nase herumgeführt, uns in der Dummheit erhalten, und wie wir mehrErleuchtung haben könnten. - Und das bewies er euch alles aus der Bibel.

Jetter. Da mag doch auch was dran sein. Ich sagt's immer selbst und grübelte soüber die Sache nach. Mir ist's lang im Kopf herumgegangen.

Buyck. Es läuft ihnen auch alles Volk nach.

Soest. Das glaub ich, wo man was Gutes hören kann und was Neues.

Jetter. Und was ist's denn nun? Man kann ja einen jeden predigen lassen nach seiner Weise.

Buyck. Frisch, ihr Herren! Über dem Schwätzen vergeßt ihr den Wein undOranien.

Jetter. Den nicht zu vergessen. Das ist ein rechter Wall: wenn man nur an ihn denkt, meintman gleich, man könne sich hinter ihn verstecken und der Teufel brächte einen nichthervor. Hoch! Wilhelm von Oranien, hoch!

Alle. Hoch! hoch!

Soest. Nun, Alter, bring auch deine Gesundheit.

Ruysum. Alte Soldaten! Alle Soldaten! Es lebe der Krieg!

Buyck. Bravo, Alter! Alle Soldaten! Es lebe der Krieg!

Jetter. Krieg! Krieg! Wißt ihr auch, was ihr ruft? Daß es euch leicht vom Mundegeht, ist wohl natürlich; wie lumpig aber unsereinem dabei zumute ist, kann ich nicht sagen.Das ganze Jahr das Getrommel zu hören; und nichts zu hören, als wie da ein Haufen gezogenkommt und dort ein andrer, wie sie über einen Hügel kamen und bei einer Mühlehielten, wieviel da geblieben sind, wieviel dort, und wie sie sich drängen, und einer gewinnt,der andere verliert, ohne daß man sein Tage begreift, wer was gewinnt oder verliert. Wie eineStadt eingenommen wird, die Bürger ermordet werden, und wie's den armen Weibern, denunschuldigen Kindern ergeht. Das ist eine Not und Angst, man denkt jeden Augenblick: »Dakommen sie! Es geht uns auch so.«

Soest. Drum muß auch ein Bürger immer in Waffen geübt sein.

Jetter. Ja, es übt sich, wer Frau und Kinder hat. Und doch hör ich noch lieber vonSoldaten, als ich sie sehe.

Buyck. Das sollt' ich übelnehmen.

Jetter. Auf Euch ist's nicht gesagt, Landsmann. Wie wir die spanischen Besatzungen loswaren, holten wir wieder Atem.

Soest. Gelt! die lagen dir am schwersten auf?

Jetter. Vexier' Er sich.

Soest. Die hatten scharfe Einquartierung bei dir.

Jetter. Halt dein Maul.

Soest. Sie hatten ihn vertrieben aus der Küche, dem Keller, der Stube - dem Bette.

(Sie lachen.)

Jetter. Du bist ein Tropf.

Buyck. Friede, ihr Herren! Muß der Soldat Friede rufen? - Nun da ihr von uns nichtshören wollt, nun bringt auch eure Gesundheit aus, eine bürgerliche Gesundheit.

Jetter. Dazu sind wir bereit! Sicherheit und Ruhe!

Soest. Ordnung und Freiheit!

Buyck. Brav! das sind auch wir zufrieden.

(Sie stoßen an und wiederholen fröhlich die Worte, doch so, daß jeder einanders ausruft und es eine Art Kanon wird. Der Alte horcht und fällt endlich auch mit ein.)

Alle. Sicherheit und Ruhe! Ordnung und Freiheit!


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